Mobilfunk-Aussagen im Faktencheck

Ein Funken Wahrheit, viel heisse Luft

Es formiert sich Widerstand gegen die 5G-Technologie. Viele Argumente der Gegner haben einen wahren Kern – werden dann aber aus dem Kontext gerissen.

Autor:in: Beat Glogger, Higgs

Das musst du wissen

  • Die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G ist in der Schweiz umstritten.
  • Die 5G-Gegner führen viele Argumente ins Feld, warum die Technologie eine Gefahr darstelle.
  • Ein Faktencheck zeigt: Viele Behauptungen entstehen aus falschen Schlüssen.

Behauptung 1: Für 5G werden neue, noch nicht getestete Frequenzen benutzt.

Beurteilung: Nicht in der Schweiz.

 

Es stimmt zwar, dass in Zukunft für die Mobilkommunikation bisher noch nicht genutzte Frequenzbereiche zum Einsatz kommen könnten. Doch welche das sein werden, ist noch unklar. Obwohl schon in aller Welt Frequenzen vergeben werden, treffen sich erst Oktober Vertreter von Regulierungsbehörden aus aller Welt im ägyptischen Scharm El-Scheich. Sie wollen festlegen, welche Frequenzen für 5G erlaubt sein sollen.

Aber die Frequenzblöcke, die im Februar in der Schweiz versteigert wurden, liegen auf 700 MHz, 1400 MHz und 3500 MHz. Dabei handelt es sich um Zentimeterwellen – sie unterscheiden sich nur wenig vom aktuellen Standard, der für 4G gilt. Von Millimeterwellen spricht die Wissenschaft erst ab 30 GHz. Wichtig ist auch anzumerken, dass die Frequenzen nicht an eine bestimmte Technologie gebunden sind. Man spricht von Technologieneutralität. Will heissen, es kann darauf ein 3G-, 4G- oder 5G-Netz betreiben werden.

Im Februar dieses Jahres hat die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) Mobilfunkfrequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G versteigert. Salt, Sunrise und Swisscom haben alle eine Palette an neuen Frequenzen erworben.

Seither hat sich in der Schweiz Widerstand gegen die neue Technologie formiert. Die Kantone Genf und Jura haben den Bau neuer Antennen gestoppt, in weiteren Kantonen wird ein solches Moratorium diskutiert.

Die Bürgervereinigung «Stop5G» hat unter anderem an einer Kundgebung in Bern ein nationales Moratorium gefordert, eine Online-Petition, die dasselbe fordert, hat bereits mehr als 30 000 Unterschriften zusammen

Behauptung 2: Man weiss nicht, welche Auswirkungen 5G-Frequenzen auf den Körper haben.

Beurteilung: Falsch.

 

Es stimmt zwar, dass die grossflächige Wirkung von Millimeterwellen, die aus physikalischen Gründen weniger tief in den Körper eindringen, noch wenig erforscht sind. Doch mit denen werden wir es noch eine Weile nicht zu tun haben, denn 5G bewegt sich aktuell wie oben beschrieben im Zentimeterbereich. «Ob Millimeterwellen in der Mobilfunkkommunikation zur Anwendung kommen, wird derzeit abgeklärt und steht in der Schweiz gegenwärtig nicht zur Debatte», sagt Silvia Canova, Sprecherin des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom).

Aber die Frequenzblöcke, die im Februar für 5G versteigert wurden, kennen wir schon. Etwa von WLAN und Radar-Technologie. Für Radar-Antennen gelten die gleichen gesetzlichen Grenzwerte wie für Mobilfunkantennen. Die Strahlung von WLAN-Netzen gilt nach aktuellem Wissensstand als unbedenklich.

Behauptung 3: 5G-Frequenzen werden in Waffen eingesetzt.

Beurteilung: Stimmt teilweise.

 

Es stimmt zwar, dass das US-Militär eine Energiewaffe entwickelt hat, die durch gerichtete Mikrowellen wirkt: das Active Denial System (ADS). Hier sendet eine Antenne Strahlen mit einer Frequenz von 95 GHz aus, die 500 Meter weit wirken und bei den bestrahlten Personen rund 0,4 Millimeter in die Haut eindringen. Die zweite Hautschicht, wo sich Nervenendungen und Blutgefässe befinden, bleibt dabei also verschont. Die hohe Energie heizt die Wassermoleküle in der oberen Haut aber innerhalb von Sekunden auf rund 55 Grad auf, was Schmerzen auslöst. Mit der nicht-tödlichen Waffe sollen Personen in die Flucht getrieben werden, ähnlich wie mit Wasserwerfern, Gummischrot oder Tränengas.

Aber auch hier ist die Strahlungsintensität entscheidend, nicht die Frequenz. ADS sendet mit einer Leistung von zwei bis zweieinhalb Megawatt (2 500 000 Watt), was nicht annähernd mit Handystrahlen vergleichbar ist (siehe Behauptung 5).

Ausserdem befinden sich die 95 GHz sowieso im Millimeterwellen-Frequenzbereich. Das ist der Bereich, der im Mobilfunk erst später zum Einsatz kommen soll – wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gibt.

Behauptung 4: 5G stört Wettersatelliten.

Beurteilung: Stimmt, aber nicht in der Schweiz.

 

Es stimmt zwar, dass sich in den USA Meteorologen besorgt zu den Frequenzen von 5G geäussert haben, die dort kürzlich versteigert wurden. Wettersatelliten messen die Strahlung, die von der Erde ausgeht und ziehen daraus Rückschlüsse auf die Wetterverhältnisse. Besonders wichtig ist das Signal von Wasserdampf.

Die dafür nötige Messefrequenz liegt bei 23,8 Gigahertz. Das ist am oberen Ende des Bandes, das kürzlich in den USA für 5G versteigert wurde.

Aber die US-Weltraumbehörde Nasa und die Wetterbehörde verhandeln zurzeit mit der Federal Communications Commission (FCC) über die Verteilung der Frequenzen, um Störungen zu vermeiden. Auch bei der Konferenz der Regulierungsbehörden im Oktober dürfte man auf eine Einigung hinarbeiten.

In der Schweiz sind keine Probleme zu erwarten: Die aktuellen 5G-Frequenzen befinden sich weit von den für Wetterdienste kritischen 23,8 Gigahertz entfernt. «Der Schutz von wissenschaftlich benutzten Frequenzbändern ist für die Schweiz ein wichtiges Thema», sagt Bakom-Sprecherin Silvia Canova. Man arbeite deshalb eng mit MeteoSchweiz zusammen. «In der Schweiz und in Europa sind im Vergleich zu den USA tiefere Limiten für die Störpegel durch 5G vorgesehen, um eine Beeinflussung der Sensoren zu minimieren».

Behauptung 5: Die 5G-Frequenzen heizen unser Gewebe auf.

Beurteilung: Stimmt nur in der Theorie.

 

Es stimmt zwar, dass elektromagnetische Strahlen ins Gewebe eindringen und dieses erhitzen können. Das machen wir uns sogar zu Nutze – zum Beispiel beim Mikrowellenherd, der in der Regel mit 2,45 GHz läuft. Das macht Sinn, denn man möchte ja, dass die Strahlung das Essen schnell erwärmt.

Handelsübliche Mikrowellenherde geben bis zu 1000 Watt ab und versetzen damit Wassermoleküle in Schwingung. Da möchte man seine Hand nicht hineinhalten. Die Strahlung würde das Wasser in unserem Gewebe erhitzt, es käme innert kurzer Zeit zu Verletzungen. Die Geräte sind aber abgeschirmt, so dass kaum Strahlung nach draussen dringt.

Aber die Dosis macht das Gift, beziehungsweise die Intensität macht die Gefahr. Die Strahlungsintensität ist bei Handys deutlich kleiner als die im Innern einer laufenden Mikrowelle. Jedes Handy hat einen sogenannten SAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate), der angibt, wie viel Strahlung bei der Benutzung vom menschlichen Körper maximal aufgenommen wird.

Aktuelle Smartphones haben einen SAR-Wert zwischen 0,1 und 1,99 Watt pro Kilogramm Körpergewicht (W/kg). Ein höherer Wert würde den WHO-Grenzwert von 2 Watt/kg überschreiten, das ist in der Schweiz illegal. Strengere Empfehlungen stufen einen Wert von 0,6 als gesundheitlich weitgehend unbedenklich ein. (Auf dieser Website kannst Du prüfen, welcher SAR-Wert dein Handy hat)

Fest steht: Beim Mobilfunk machen nicht die Sendeanlagen den grössten Anteil der Strahlenbelastung aus. Über 80 Prozent der von uns aufgenommenen Mobilfunkstrahlung stammen vom eigenen Handy. Das zeigte eine Untersuchung des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts.

Die Strahlenbelastung nimmt ab, je besser der Empfang ist und je weiter das Gerät vom Körper weg ist. Deshalb empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit zum Telefonieren Kopfhörer oder ein Headset mit Kabel oder schwachen Bluetooth-Sender zu verwenden.

Mobilfunk basiert auf elektromagnetischen Wellen. Die biologische Wirkung dieser Strahlung hängt von zwei Faktoren ab: Der Stärke (angegeben in Watt) und der Frequenz (angegeben in Hertz).

Wie stark eine Antenne strahlen darf, ist in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NiSV) geregelt. Die Schweizer Grenzwerte sind vergleichbar mit den von anderen Ländern. Die sogenannten Anlagegrenzwerte liegen in der Schweiz bis zu zehn Mal tiefer als die allgemeinen.

Eine Arbeitsgruppe des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) arbeitet gegenwärtig an einem Bericht zu den Bedürfnissen und Risiken beim Aufbau des 5G-Netzes. Er soll noch dieses Jahr erscheinen und wird auch neue Empfehlungen für die Grenzwerte enthalten. Die Mobilfunkbranche erhofft sich eine Lockerung dieser Grenzwerte.

Behauptung 6: Handystrahlung ist verantwortlich für das Bienensterben.

Beurteilung: Ein Zusammenhang ist nicht nachgeweisen.

 

Es stimmt zwar, dass Handys einen Einfluss auf Bienen haben. Der Schweizer Biologe Daniel Favre fand bei einem Versuch im Jahr 2011 heraus, dass die Insekten um ein Vielfaches lauter brummen, wenn ein aktives Handy auf einem Bienenkasten angebracht wird. Für den Forscher ein Zeichen, dass sich die Bienen gestört fühlen und ausschwärmen wollen. Zu der falschen Zeit könne das tödlich sein.

Aber Favres Experiment fand unter Extrembedingungen mit einem Handy in nächster Nähe statt. Unter normalen Umständen sind Bienen keiner derartigen Strahlenintensität ausgesetzt. Auch in breit angelegten Studien wurde bislang kein Effekt des Mobilfunks auf die Bienen nachgewiesen.

Behauptung 7: Wegen 5G werden massenhaft Bäume gefällt.

Beurteilung: Stimmt nicht.

Es stimmt zwar, dass die Reichweite im Hochfrequenzbereich klein ist, weshalb das Netz engmaschiger werden muss. Bäume seien dabei im Weg und würden schon heute für den 5G-Ausbau im grossen Stil abgeholzt, heisst es in sozialen Medien.

Aber für 5G werden keine Bäume gefällt. Weder um Antennen noch um Strahlen Platz zu machen. Die Website Mimikama, die Fake-News aufdeckt, ging den Behauptungen nach und konnte belegen, dass es sich bei den behaupteten «5G-Abholzungen» um normale Abholzungen aus verschiedenen Gründen handelt.

Zu bedenken ist: Die aktuellen gesetzlichen Grenzwerte für einzelne Antennen schränken die Möglichkeiten der Provider ein. Das führt kurzfristig dazu, dass sie mehr Antennen bauen müssten, um die erhöhten Datenmengen zu bewältigen. Langfristig dürfte die Anzahl der Antennen stetig wachsen, um ein engmaschiges Netz zu ermöglichen.

Dieser Beitrag erschien erstmalig auf higgs.ch.